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Vom Charme der Volkskunst

Dieser Artikel wurde von Sabine Spindler im Rahmen unseres 50 jährigen Jubiläums verfasst.

Münchner Antiquitätenhandel Pachmann feiert 50jähriges Bestehen

Grödner Schnitzkunst, Hinterglasbilder und historische Krippenfiguren sind nur einige Facetten ihres Angebots. Die Volkskunst –Spezialisten Margarete und Roderich Pachmann begehen im Oktober ihr Firmen-Jubiläum mit der Sonderschau „50 Keramik-Krüge aus drei Jahrhunderten“.

Wie viele Kunstwerke die Antiquitätenhändler Margarete und Roderich Pachmann in den letzten 50 Jahren in die Hände von Sammlern und Museen gegeben haben, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Manchmal waren es kleine Dinge wie ein geschnitztes Hündchen aus der Spielzeuglade einer alpenländischen Bauernfamilie oder eine weich gerippte, azurblaue, barocke Glas-Schnapsflasche aus Kramsach in Tirol. Ein andermal war es ein bemalter Schrank des 18. Jahrhunderts aus dem Tölzer Land oder ein wandfüllendes Kruzifix aus dem Salzburger Umfeld. Das Angebot ist breit gefächert.

Seit 1975 gehört Pachmann Antiquitäten zu den wichtigsten süddt. Adressen für Sammler religiöser Zeugnisse, alpenländischer Volkskunst und ausgewählten Kunsthandwerks. Im Oktober begeht das Ehepaar das 50järige Bestehen ihres unverwechselbaren Geschäfts mit der hauseigenen Sonderschau „50 Keramik-Krüge aus drei Jahrhunderten“. Gezeigt werden u.a. Fayence- und Hafnerkrüge verschiedener Regionen, Crailsheimer Stücke sowie enghalsige Vögeles Krüge aus Ansbach.

Das Ehepaar Pachmann war von Anfang an begeistert von dem ausdrucksvollen, vitalen sowie feinsinnigen und mitunter herzergreifenden Kunsthandwerk, das in den Schnitzwerkstätten und Manufakturen und manchmal in Heimarbeit und in den Klöstern fern der Höfe und jenseits der akademisch geprägten Ateliers entstand. Krippenfiguren vom Alpenvorland bis Neapel gehören ebenso dazu wie die reizvoll ornamentierten Beckenschlägerschüsseln aus Messing aus dem 16. Jahrhundert oder Fayencen und Steinzeug. „Ich habe mich nie auf ein einziges Gebiet spezialisiert, weil mich die Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten und Handschriften, die Verschiedenheit der regionalen Stile und die bodenständige Phantasie des Volkskunst fasziniert“, sagt Roderich Pachmann. Das heißt nicht, dass er die Arbeiten von Meistern übersieht. Derzeit bietet er zwei tief in eine Nische eingelassene Reliefs biblischer Szenen von Johann Bendict Witz, eines Berufssoldaten im Dienst Fürstbischofs Friedrich Karl von Schönborn, der nebenbei auch für seine virtuosen Rokokofiguren berühmt wurde.

Viele Museen haben von der Entdeckerlust des Ehepaars Pachmann profitiert. Das Mainfränkische Museum in Würzburg etwa erwarb 2013 mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung eine fast lebensgroße Sandsteinfigur von Johann Peter Wagner aus der Zeit um 1780/85, die den heiligen Peter von Nepomuk darstellt. Die bedeutende Skulptur steht heute in der Eingangshalle des Museums.Das Bayerische Nationalmuseum München besitzt heute einen der frühesten Creußner Apostelkrüge von ca. 1610/20. Gekauft bei Pachmann Antiquitäten. Und in den Bestand des Augsburger Diözesan-Museums ging eine außergewöhnliche Christusfigur aus dem 16. Jahrhundert, bei der man durch eingelegte Röhrchen das Blut Christi zum Fließen bringen konnte und die inbrünstige Anbetung des Gegeißelten steigern konnte. Eingang in die Augsburger Kunstsammlungen fand zudem das Gemälde „Heiliger Sebastian“ des Renaissance-Malers Christoph Schwarz. Der Münchner Hofmaler war nämlich auch ein gefragter Künstler der Familie Fugger.

Jahrzehntelang war das Ehepaar Pachmann Aussteller auf der Kunst & Antiquitäten München und der Deutschen Kunstmesse München. Ihr Stand war einer der am stärksten frequentierten, denn der Zauber der Dinge und die Qualität der angebotenen Volkskunst war und ist unwiderstehlich. Die Zeitschrift “Architektur und Wohnen“ kürte Pachmann Antiquitäten nicht ohne Grund vor ein paar Jahren zu einem der besten Antiquitätengeschäften Deutschlands. Wer die Geschäftsräume in der Barerstraße im quirligen Schwabing betritt, erlebt Kulturgeschichte in seiner schönsten Form. Kleine Rokoko-Porträts, farbig gefasste Bauermöbel, ein kleiner Krippen-Elefant aus Oberammergau, der mit einem anderen Kopf auch einen Braunbären darstellen könnte, ein fast weiß gefasstes Bambino Gesu mit blond gelocktem Haar aus dem Neapel des frühen 19. Jahrhundert vereinen sich zu einer Schaulade volkstümlicher Kunst, deren Spektrum von streng-religiös bis heiter-kurios reicht. Im Moment zieht eine nicht zuletzt durch ihre stattliche Größe, auf Holz gemalte „Marienanbetung“, wohl im 15. Jahrhundert in der Toskana entstanden und von einem altarähnlichen Renaissance-Rahmen eingefasst , im Ladengeschäft die Blicke auf sich. Pachmanns derzeitiger Favorit ist allerdings eine Figuren-Gruppe grotesker Zwerge aus dem Grödner Tal, geschnitzt nach Jaques Callots legendären Kupferstichen mit burlesken Charakteren aus dem Jahr 1620. Auch nach 400 Jahren spiegeln sie den Irrsinn des Welttheaters.

Für die Kunst- und Antiquitäten-Szene Münchens, für die viel beschworene Vielfalt des Handels und für Liebhaber anspruchsvoller Volkskunst ist Pachmann Antiquitäten bis heute eine nicht wegzudenkende Institution. Hier wird eine Art des Sammelns aufrechterhalten, die weder im Millionenbereich agiert noch intellektuelle Hindernisse zu überwinden hat. Es ist der Charme der Dinge, der einen an diesem Ort anspricht und hinter dem sich dennoch große künstlerische und kulturelle Geschichten verbergen.